H.
Anwarhaqiqi
Die
Lage der Aserbaidschaner im heutigen Iran
Verehrte Damen und Herren,
ich möchte mich zuerst im Namen der Organisation „Föderal-demokratische Bewegung des Aserbaidschans“ für Ihr Interesse an der Nationalitätenfrage und Demokratie im heutigen Iran bedanken.
Der Iran ist ein Vielvölkerstaat und besteht u. a. aus Türken bzw. Aserbaidschanern, Persern, Kurden, Loris, Turkmenen, Belutschen und Arabern. Die Türken sind die größte ethnische- bzw. Volksgruppe im Iran ohne politische und kulturelle Rechte.
Nach
der Islamisierung im 7. Jahrhundert haben die Türken über tausend Jahre bis zur
Pahlawie Dynastie das politische Leben des Landes bestimmt. Dabei wurden
mächtige und einflussreiche Dynastien wie die Safawiden (1501-1722) gegründet.
Im Königshaus, in adligen Familien und
vor allem im Militär sprach man türkisch.
In
Folge des I. und II. russisch-iranischen Krieges (1804-1813 und 1826-1828)
verlor Iran die Gebiete Georgien, Armenien und Nordaserbaidschan. Somit wurde
Aserbaidschan in Nordaserbaidschan und Südaserbaidschan geteilt. Der Fluss Aras
gilt als Grenze und zugleich als Symbol der Trennung des Aserbaidschanischen
Volkes.
Aserbaidschan
und dessen Hauptstadt Täbris war wegen seiner historischen Bedeutung und der
geopolitischen Lage das Zentrum der neuen, säkularen, modernen sowie
demokratischen Bewegungen im Iran des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.
Aserbaidschaner waren die Avantgarde der konstitutionellen Revolution (1906-1909) im Iran. Der Aufstand in Täbris unter Führung von Sattar Khan rettete die Errungenschaften der konstitutionellen Revolution vor dem despotischen Kadscharen König Mohammad Ali Schah.
Eine
der Errungenschaften der konstitutionellen Revolution war die Anerkennung und
Festschreibung der Teilautonomie der Regionen im Grundgesetz, unter den regionalen
und provinziellen Parlamenten. Diese Parlamente wurden aber niemals von den
Pahlawies ins Leben gerufen.
Dieses Recht wurde aber von demokratischen Bewegungen in Aserbaidschan und Kurdistan zwischen 1945-1946 in Anspruch genommen und in die Tat umgesetzt. Basierend auf diesem Grundrecht gründete Scheich Mohammad Khiabani den Staat Asadistan (Land der Freien), der mit der aktiven Beteiligung der Reza Khan (Später Reza Shah Pahlawie) brutal niedergeschlagen wurde.
Die meisten Intellektuellen der konstitutionellen Revolution, darunter auch einige Aserbaidschaner, waren der Ansicht einen nationalen Staat mit einer Nation und einer Sprache (in diesem Falle Farsi) bilden zu müssen. Assimilation nicht persischer Völker und insbesondere der Aserbaidschaner stand an der Tagesordnung. Obwohl im 1. Grundgesetz keine Rede vom Farsi als einzige amtliche Sprache war, hat man dennoch die türkische Sprache in den Schulen und Ämtern verboten.
Diese Diskriminierung hat weitreichende Folgen u. a. in der Bildung, der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen und nicht zuletzt in der prozentualen Teilnahme der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht im Iran. Aserbaidschan führte die erste moderne Schule in den Iran ein und besetzt heute eine der letzten Bildungsstellen innerhalb der Provinzen.
Im zweiten Weltkrieg marschierten Alliierten in den Iran und zwangen Reza Schah das Land zu verlassen. Von dieser Zeit an bis zum Sturz Mossadeghs (19. August 1953) durch den angloamerikanischen Putsch (kein Komma) herrschten 12 Jahre teilweise politische Freiheiten im Land.
Im Jahre 1945
führten national-demokratische Bewegungen in Aserbaidschan und Kurdistan zur
Begründung autonomer Regierungen in beiden Regionen. Was die aserbaidschanische
Bewegung betrifft, war diese einerseits sehr sozial und demokratisch geprägt und
andererseits war sie die erste eindeutig nationale Regierung in
Süd-Aserbaidschan.
Obwohl die Präsenz der sowjetischen Truppen in dieser Region sicherlich eine große Unterstützung für die Bewegung darstellte, waren die Hauptwurzeln die soziale Unzufriedenheit und die ständige Diskriminierung der aserbaidschanischen Bevölkerung. Es gab zahlreiche bewaffnete Aufstände der Bauern gegen Landbesitzer und eine sehr starke Arbeiterbewegung in Aserbaidschan. Die Chauvinistische Regierung des Reza Schah und ihre Niederschlagung aller nationalen Bestrebungen und Forderungen des aserbaidschanischen Volkes trugen zur Verstärkung der aserbaidschanischen Identitäts- und Nationalitätenfrage bei. Zum ersten Mal im Iran erhielten die Frauen Wahlberechtigung. Die Nationale Regierung des Aserbaidschans unter Djafar Pischevari hat so viele soziale, wirtschaftliche, kulturelle und nationale Reformen innerhalb eines Jahres durchgesetzt, wie Reza Schah nicht einmal innerhalb von 2 Jahrzehnten.
Erreicht hat Pischevari u. a.:
Organisation von einem national-demokratischen und sozialen Staat im Rahmen des Irans (Parlament, Justiz, Bildung, Gesundheit, Polizei und Militär), Einführung der Aserbaidschanisch-Türkischen Sprache als Schul- und Amtssprache, teilweise Bodenreform, Unterstützung der Arbeiterklasse und der sozial schwächeren Schichten, Gründung der Täbris Universität, Gründung des Täbriser Radio Zentrums und Einführung zahlreicher Bauprojekte sowie Gewährleistung der Sicherheit der ganzen aserbaidschanischen Bevölkerung.
Die Nationale Regierung wurde am 28 September 1946 brutal niedergeschlagen. Man spricht von ca. 25000 Toten. Viele flohen nach Nord-Aserbaidschan (damalige Sowjetunion) und in die anderen Regionen Irans. Aus Rache an den Aserbaidschanern vernachlässigte man die wirtschaftliche Entwicklung der Region massive. In Folge dessen, aber auch anderer kultureller und sozialer Diskriminierungen, wanderten viele Aserbaidschaner auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben nach Teheran und in die anderen Industrie Regionen des Irans aus. Somit verwandelte Teheran sich zur zweitgrößten türkischsprachigen Stadt der Welt. Aserbaidschaner bilden heute fast die Hälfte der Teheraner Bevölkerung.
Die Ära des „Milli Hikumet“ (Pischevari Regierung) hat Aserbaidschan und teilweise auch den Iran in den folgenden Jahren in vieler Hinsicht geprägt. Die Mehrheit der Gründer der Fedaijan und Modschaehedin waren geprägt von dieser Ära.
Während der Revolution in 1979 wirkten Aserbaidschaner entschieden mit. Der Aufstand von Täbris am 18. Februar 1978 (29 Bahman 1356) leitete das Ende der Pahlawie Dynastie im Iran ein.
Die Islamische Regierung, die am Anfang kein Interesse für die „Iranische Nation“ zeigte, hatte sich nach und nach wegen des Krieges mit Irak und weiteren Konflikten mit dem Westen die Pro-Persische und Chauvinistische Politik der Pahlawie Dynastie zu Eigen gemacht.
In der 1979er Revolution beteiligten sich alle Nationalitäten und Völker des Irans. Unmittelbar nach der Revolution gab es große Aufstände der Kurden, Araber und Turkmenen wegen geforderter Selbstbestimmung und interner Autonomie. Alle diese Bewegungen und Aufstände wurden kläglich unterdrückt Nach dem Beginn des Irak-Iran Krieges ging das Khomeini Regime noch verstärkter gegen jede Opposition im Lande vor. Zwischen Juni-Juli 1981 wurden täglich Hunderte von Menschen sogar Kinder unter 14 Jahren ohne gerichtliche Verurteilung hingerichtet. Mehrere Tausende wurden inhaftiert und gefoltert. Im Sommer 1988 wurden Tausende von politischen Gefangenen binnen wenigen Tagen hingerichtet. Ayatollah Khomeini setzte am Ende sogar seinen einstigen Kronprinz Ayatollah Monteseri wegen seiner Proteste ab.
In den Zeiten nach der 1979-er Revolution wurde Aserbaidschan wirtschaftlich ruiniert. Massenauswanderungen und Kapitalflucht waren die Folgen.
Eine Diskriminierung in der Sprache führte zunehmend zur Abstufung der Aserbaidschaner und anderer nicht persischer Völker Irans zu Menschen 2. oder sogar 3. Klasse in der Gesellschaft. Dies zeigte sich verstärkt in der Besetzung von Ämtern und in führenden Positionen aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.
Aserbaidschaner haben immer versucht mit friedlichen Mitteln ihr Anliegen zu äußern und ihre Rechte zu erlangen. Im Zentrum all dieser Forderungen steht das Recht auf Selbstbestimmung und Anerkennung sowie Einführung der Aserbaidschanisch-Türkischen Sprache. Man sollte sich einmal durch den Kopf gehen lassen, dass mehr als 25 Millionen Aserbaidschaner im Iran keinen Kindergarten in eigener Sprache haben! Es gibt kein Forschungsgebiet der Aserbaidschanisch-Türkischen Sprache an den Universitäten Irans, nicht einmal in Täbris.
Es wird mit allen Mitteln versucht den Aserbaidschanern weiß zu machen, dass Sie angeblich „alte Perser“ sind und durch „Eindringen der türkischen Stämme in Persien“ ihre einstige sog. Aseri Sprache verloren haben. Diese Theorie diente als Grundlage des Assimilationskurses der Pahlawie Dynastie und wird auch heute von der Islamischen Regierung angewandt.
Dies gibt zu verstehen warum in mehrtätigen blutigen Protesten Millionen von Aserbaidschaner in fast allen Städten Aserbaidschans gegen eine Karikatur der staatlichen Zeitung „Iran“ von Mai 2006 (Khordad 1385), welche die Aserbaidschaner als „Schaben“ (Farsi Susk) darstellte, den Slogan „Haray Haray men türkem“ d.h. „Ahai Ahai ich bin ein Türke“ riefen.
Aserbaidschaner und andere nicht persische Nationalitäten im Iran schreien nach mehr Demokratie und Selbstbestimmung, gegen Diskriminierung. Dies wurde mit jeglichen friedlichen Mitteln, u. a. zahlreichen öffentlichen Briefen gefordert. Die Islamische Regierung lässt sich damit aber nicht beeindrucken. Es gibt keine Anzeichen einer Umsetzung des 15. Artikels des Grundgesetzes!
Aktivisten der national-demokratischen Bewegung wurden verfolgt und mit Verhaftungen, langjährigen Gefängnisstrafen, hohen Geldstrafen, Drohungen, Hinrichtung und heimlichem Tod bestraft. Es gab zahlreiche mysteriöse Todesfälle der Aktivisten. Vor kurzem wurden 20 Aserbaidschanische Schriftsteller und Aktivisten in Teheran ohne Grund verhaftet und nach mehreren Wochen und Monaten mit sehr hohen Kautionen frei gelassen.
Aserbaidschaner haben in mehreren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gezeigt, dass sie kein Vertrauen mehr in die Regierung haben. In den letzten Parlamentswahlen z. B. beteiligten sich insgesamt weniger als 30% der Wahlberechtigten. Die Pro-Regierungskandidaten bekamen höchstens 10% der wahlberechtigten Stimmen. Auf der anderen Seite gaben in der neunten Präsidentschaftswahl gaben 90% der Wahlbeteiligten ihre Stimme an jemanden, der die Forderungen der Aserbaidschaner als berechtigt akzeptierte.
Meine Damen und Herren,
wir glauben, dass nur ein Föderal-Demokratischer Staat und eine derartige Verfassung eine Antwort auf die Fragen nach echter Demokratie, Nationalität und Gleichberechtigung der Ethnien im Iran geben kann. Wir glauben, dass Anerkennung und Einführung der Rechte der Nationalitäten wichtige Aspekte der Demokratisierung des Irans sind. Die Aserbaidschanisch-Türkischen, kurdischen, belutschischen, turkmenischen und arabischen Sprachen müssen neben Farsi als amtliche Sprachen im Iran anerkannt werden.
Unserer Auffassung nach ist die Islamische Regierung ein theokratisch-totalitäres Regime, das in seiner Verfassung keinen Raum für solche Forderungen bietet. Was zurzeit im Iran herrscht ist ein Mono-Ethnischer Staat. Dieser muss sich zu einem multiethnischen Staat wandeln. Dies wird leider nicht nur vonseiten der Regierung, sondern auch seitens vieler persischer Intellektueller und Politiker als separatistisch verstanden und behandelt.
Meine Damen und Herren,
wir glauben, dass der Demokratisierungsprozess eines Landes wie der Iran nur durch eigene Kräfte und innere Entwicklung zustande kommen kann. Unserer Meinung nach kann nur eine Bündelung der Kräfte aller Frauen, Arbeiter, Angestellten, Jungen, Studenten und Intellektuellen Bewegungen mit der Nationalitäten- und Ethnienbewegung zuzüglich der Vertiefung und Anreicherung der Nationalitäten Bewegung in Sachen Gleichberechtigung der Frauen und Gerechtigkeit den Weg zur Freiheit und Demokratie ebnen. Die Fälle Irak und Afghanistan unterstützen unsere Auffassung deutlich.
Danke fürs Zuhören.